TV-Dokumentation: Die „Phantom II“ ist der Methusalem der Düsenjäger - WELT

2022-09-04 12:49:51 By : Mr. Mason Chan

A lter ist keinesfalls ehrenrührig. Aber wenn die Piloten eines Flugzeugtyps fast ausnahmslos deutlich jünger sind als die Maschinen, die sie fliegen, ist das zumindest – außergewöhnlich. Jedenfalls, wenn es um Kampfflugzeuge geht.

Mehrere Luftwaffen in der westlichen Welt setzen auch heute noch Abfangjäger vom Typ McDonnell-Douglas F-4 „Phantom II“ ein – obwohl die Maschine bereits seit Ende 1960 im Einsatz ist und die Produktion Ende 1981 auslief. Überall stehen die F-4 zwar auf der Ausmusterungsliste. Doch die vorgesehenen Nachfolger sind entweder wie die ebenfalls in die Jahre gekommenen US-Modelle F-15 oder F-16 zu teuer oder wie die hochmoderne F-35 noch in der Erprobungsphase.

Die Bundesrepublik vertraute rund 40 Jahre lang für den Schutz ihres Luftraumes auf die F-4. Das erste Exemplar wurde 1971 übernommen, die letzte „Phantom II“ im Sommer 2013 außer Dienst gestellt und durch den „Eurofighter“ ersetzt. Über die Erfahrungen der deutschen Luftwaffe zeigt der Informationssender N24 am Mittwochabend eine interessante Reportage.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert insgesamt sind also F-4s im Einsatz, und es könnten noch ein paar Jährchen dauern, bis die wirklich allerletzten Exemplare aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Älter sind nur noch die gewaltige B-52 und die russische TU-95 – beides schwere Bomber, nicht Hochleistungsjäger. Was macht den Erfolg dieses Methusalems unter den Jagdflugzeugen aus?

Äußere Schönheit kann es sicher nicht sein. Denn die „Phantom II“ ist mit ihrem gedrungenen Rumpf und vor allem dem nach unten weisenden Höhenleitwerk alles andere als elegant. Darauf deuten auch ihre Spitznamen: „Rhino“, also „Nashorn“ nannten Piloten der US Air Force die Maschine zum Beispiel, „Fliegender Ziegelstein“ oder auch einfach „Double ugly“ („Doppelt hässlich“).

Von deutschen Piloten sind Schmähnamen wie „Eisenschwein“ oder „Luftwaffendiesel“ überliefert. Trotzdem liebten die Besatzungen die Maschine, denn im Gegensatz zu ihrem direkten Vorgänger im Dienst der Luftwaffe, dem F-104 „Starfighter“, gab es mit der „Phantom II“ kaum Unfälle aus technischen Gründen. Die F-4 soll sogar, statistisch gesehen, das sicherste Militärflugzeug aller Zeiten sein. Verluste durch Kampfhandlungen sind dabei natürlich nicht einbezogen.

Große Bedeutung für die zwangsläufig dynamischen Flugzeugführer hatte natürlich die enorme Leistung der zwei General-Electric-Turbinen. Die Maschine konnte im Extremfall direkt nach dem Start senkrecht in die Höhe steigen. Ein beliebter Scherz war, die F-4 als „Triumph der Schubkraft über die Aerodynamik“ zu beschreiben.

Mindestens genauso wichtig aber war, vor allem bei US-Piloten, die mit F-4s im Vietnamkrieg im Einsatz waren, die Stabilität der Flugzeugzelle. Sie steckte auch schwere Flaktreffer weg. Trotzdem gingen in diesem Krieg mehr als 750 Phantoms verloren – es hätten noch viel mehr sein können, wenn Rumpf oder Tragflächen weniger widerstandsfähig gewesen wären.

Die deutschen F-4 sind niemals im Kampfeinsatz gewesen. Die Einsätze der Bundeswehr im Jugoslawien und im Kosovo-Krieg sowie in Afghanistan unterstützten Jagdbomber vom Typ „Tornado“. An der Luftraumüberwachung für die drei baltischen Staaten im Rahmen der Nato waren aber vor und neben deutschen „Eurofightern“ auch „Phantoms“ beteiligt.

Über Jahrzehnte im Einsatz waren „Phantoms“ auch bei der israelischen Luftwaffe, beginnend bald nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. An nahezu allen der verschiedenen Nahost-Konflikte waren die F-4 beteiligt, gerade wegen ihrer vielfältigen Eignung als Abfangjäger, Jagdbomber und Aufklärer. Die letzten israelischen Exemplare wurden 2004 ausgemustert.

Die bisher letzte „Phantom“, die während eines Kampfeinsatzes abgeschossen wurde, gehörte zu den türkischen Streitkräften. Sie war als Aufklärer an der türkisch-syrischen Grenze unterwegs, als sie am 22. Juni 2012 von Truppen des Diktators Baschar al-Assad zerstört wurde.

Gegenwärtig sind noch gut über 200 „Phantom“ im Einsatz. Vor allem bei der griechischen Air Force, den japanischen Selbstverteidigungskräften, in der Türkei und beim südkoreanischen Jägerkommando.

Angesichts der explodierenden Kosten für neue Kampfflugzeuge ist gut möglich, dass einige aktive F-4 sogar das 60. Indienststellungs-Jubiläum des Typ 2020 erleben werden. Jagdflieger scheiden wegen der extremen Belastungen im Einsatz übrigens in fast allen Luftwaffen der Welt mit Anfang bis Mitte vierzig aus dem aktiven Dienst aus.

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